Gründerszene mit ‚fancy‘ Anglizismen

„Sie kleiden sich hip, verwenden fancy Anglizismen, gehen in Mitte lunchen und schreiben zu viele E-Mails“ – so beschreibt ein Insider auf Twitter die jungen Berliner Gründer (> Tweet). Voller Flexibilität und Kreativität ist die ‚Startup-Szene‘ an der Spree, aber dazu gehören auch schräge Eigenheiten ihres Kommunikationsstils, wie folgender Kommentar illustriert:

„Berliner Startups speaken gerne in fancy Anglizismen, weil sie zu lazy zum Nachdenken sind und ihre Language als sozialen Code nutzen. Sie haben kein Büro, sondern ein Office, machen keine Anrufe, sondern Calls und sammeln auch kein Geld ein, sondern betreiben Fundraising… Sie verbringen zirka 40 bis 60 Prozent ihrer Zeit auf Events und in Clubs… Sie arbeiten gerne viel und lange: PR, Online-Marketing und IT wollen gemanagt werden. Burnout ist kein Must-have, kann aber helfen…“

In diesem – hier bewusst übertriebenen – Sprachportrait trifft vieles zusammen: fachliche Begriffe, beruflicher Jargon und Kennworte des Umgangs.

Zunächst die Fachbegriffe: ‚Startup‘ ist aus dem Englischen (startup company oder startup) übernommen und bezeichnet ein junges, schnell wachsendes Unternehmen mit innovativer Geschäftsidee (Wikipedia). Im Deutschen wird das Wort auch schon anders genutzt: ‚Startups‘ als ‚Gründer‘, also für Personen, entsprechend ‚Startup-Szene‘ als ‚Gründerszene‘. ‚Startup‘ ist somit ein kurzer Begriff für einen komplexen Inhalt. Hier sei noch angemerkt, dass ’start-up‘ nach vorn gerichtet ist, während ‚gründen‘ in die Tiefe weist – eigentlich zwei unterschiedliche Unternehmensphilosophien. Doch ‚gründen‘ erhält selbst einen Neuwert oder, wie es in einem Blog heißt: „Gründen wird hip“ – mit tausenden jungen Menschen, die Ideen haben.

Weitere Fachbegriffe sind aus der Wirtschaft und Informationstechnologie übernommen, z.B. ‚PR‘ (Public Relations) für Öffentlichkeitsarbeit und ‚Online-Marketing‘ für Werbung bzw. Förderung des Absatzes über das Internet. Außerdem gibt es zahlreiche Fachbegriffe für die beruflichen Tätigkeiten, die aus dem Englischen übernommen sind, z.B. ‚Online Content Management‘ für Inhaltsverwaltung von Webseiten.

Wie eine Beraterin für Startup Jobs in Berlin sagt, steht hinter diesen oft „fancy klingenden Anglizismen“ eine klar definierte Jobbeschreibung (vgl. auch Startup-Lexikon).

Was sich um die Fachsprache herumrankt ist ‚PR-Sprech‘, gespickt mit Anglizismen, wie ‚Office‘, ‚Calls‘ und ‚Fundraising‘ im obigen Beispiel. Das ist nichts anderes als der Jargon, den es innerhalb vieler Berufsgruppen gibt. So ein Jargon gehört zum Gemeinschaftsstil, er transportiert internes Wissen und Verhalten, das allerdings andere auszuschließen vermag. Und die ‚fancy‘ Anglizismen dienen unter ‚Startups‘ auch zum Aufbauschen von ‚Knowhow‘, etwa gegenüber Job-Suchenden, Kunden oder Investoren. Wer das nicht einordnen kann und sich davon täuschen lässt, meint ein PR-Berater etwas lax, sei irgendwie selber schuld. Sicher sehen das nicht alle so!

Viele der oben zitierten Anglizismen, wie ‚hip‘ und ‚lunchen‘, ‚Events‘ und ‚Clubs‘, ‚Burnout‘ und ‚Must-have‘, haben aber weniger mit der Tätigkeit als mit dem Lebensstil zu tun. Sie sind Kennworte des Umgangs miteinander. Hier ist das Attribut ‚fancy‘ (ausgefallen, raffiniert, chic) am ehesten zutreffend. Mit diesen Anglizismen wird eine ‚Startup‘-Kultur markiert, die aus verschiedenen Quellen herrührt: zum einen die Gepflogenheiten vom Silicon Valley, zum anderen die extravagante Subkultur der ‚Hipster‚, aber auch Eigenheiten aus der Berliner Kreativen- und Künstlerszene. Diese Verschmelzung wäre gewiss untersuchenswert.

Insgesamt machen Fachbegriffe, Berufjargon und Kennworte des Umgangs den ’sozialen Code‘, also die spezifische Gemeinschaftssprache, der ‚Startups‘ aus. Die Anglizismen scheinen dabei das Salz in der Suppe zu sein – wie fade wäre die Gründerszene ohne sie?!

Sabine Manning

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