Heute schon gegoogelt?

Unter diesem Motto lief im Netzwerk XING eine anregende Diskussion für und wider den Anglisierungstrend. Hier sind Auszüge aus dem Beitrag und den Kommentaren – mit freundlicher Zustimmung der Teilnehmer aus der Gruppe „Deutsch für Profis“ (13./14.8.2015). Die Diskussion ist offen!

Dr. Volkmar Schmid

Für manchen Zeitgenossen ist die „Überfremdung“ der deutschen Sprache mit Anglizismen ein Aufreger. Es geht mir bei diesem Thema jedoch nicht darum, in den Chor der Lamentierer einzustimmen, die den Einzug gebräuchlicher englischer Begriffe in unseren Sprachalltag beklagen. In Abwandlung des bekannten Zitats von Karl Marx: „Die Idee wird zur materiellen Gewalt, wenn sie die Massen ergreift“, sage ich: „Trendige Wörter setzen Sprachtrends, wenn sie die Massen ergreifen“.

Warum müssen wir in der Anglisierung und daraus abgeleiteten sprachlichen „Überfremdung“ ausschließlich Negatives sehen oder diese Tendenz als Zeichen des Untergangs der deutschen Sprache oder gar des ganzen Abendlandes deuten? Es kommt wie so oft auf den Blickwinkel an. Dieser Anglisierungstrend offenbart wie eine Medaille nämlich auch eine zweite Seite: nicht die Verdrängung oder Tilgung, sondern die „Eindeutschung“ durch sprachliche Assimilierung. Wer hat sie nicht schon gelesen, Tätigkeitswörter wie mailen, posten, googeln, facebooken, twittern, liken, whatsappen, zappen, jobben, mobben, shoppen, dissen, joggen, slacklinen, surfen, wakeboarden etc.

Die deutsche Sprache zeigt sich wandlungs- und aufnahmefähig. Durch ihre über Jahrhunderte gewachsenen Strukturen und Grundregeln ist sie ebenso gefestigt wie kreativ und flexibel. Gerade darin liegen ihre Stärke und Lebendigkeit. Wozu sich erst der Mühe unterziehen, als Sprachersatz adäquate und verständliche deutsche Entsprechungen zu finden, die zudem häufig zu lang und „sperrig“ sind, wenn es auch ohne geht und man durch „Eindeutschung“ Sprachökonomie walten lassen kann. So eignen sich die genannten „eingedeutschten“ Verben problemlos für eine regelkonforme Konjugation.

Heute schon gegoogelt? Heute schon geappt? Diese geflügelten Worte sind längst in aller Munde und aus unserer Alltagssprache nicht mehr wegzudenken. Schön, dass die deutsche Sprache so etwas vermag und vor dem Fremdwort nicht einfach kapituliert. Das hat sie übrigens schon im vergangenen Jahrtausend bei Fremdwörtern wie echauffieren, jonglieren, flexibilisieren, zitieren, räsonieren, füsilieren, goutieren, guillotinieren, defilieren, kremieren, korrelieren, konjugieren, korrespondieren, kopulieren u.a. nicht getan. Was „deutsch“ ist, muss nicht unbedingt einen deutschen Ursprung haben, wie die zahlreichen Wörter mit „Migrationshintergrund“ offenbaren.

Anton Schäfer

Ich bin höchst begeistert ob der Selektion der Exempel aus dem vergangenen Jahrtausend für Wörter „mit Migrationshintergrund“; wobei ich zwar alle kannte, bei einigen mich aber nicht traue, sie heute noch zu verwenden – mein Sprachstil erscheint bisweilen antiquiert genug.

 Alexander Hoffmann

 

Na ja, ob „er hat gefacebookt“ sehr elegant klingt, bezweifle ich. In Frankreich, wo ich lebe, lässt man sich nicht auf jeden Anglizismus ein. Aber auch da bröckelt es und die Leute wünschen sich ein „bon weekend“.

 Sabine Manning

Aufschlussreich sind Ihre historischen Beispiele für Eindeutschungen. Ob sich allerdings etliche der neuen Entlehnungen, bis hin zur Konjugation von „facebooken“, im deutschen Sprachgebrauch ausbreiten oder wieder verflüchtigen werden, bleibt abzuwarten.

Eindeutschung durch Assimilierung – so bringen Sie es auf den Punkt. Das ist allerdings ein vielschichtiger, vermittelter Prozess im lebendigen Sprachgebrauch, der sich kaum steuern lässt. Interessant ist Ihr Argument, bei der Eindeutschung „Sprachökonomie“ walten zu lassen. Das leuchtet vor allem ein, wenn deutsche Entsprechungen weit hergeholt und, wie oft, zu lang und sperrig sind. Dennoch lohnt es sich, bei Fremdwörtern erst mal den eigenen Sprachschatz zu erkunden bzw. bei Entlehnungen auch die deutschen Varianten im Blick zu haben. Das kann den Sprachgebrauch nur bereichern!

Dr. Volkmar Schmid

Ich stimme Ihnen vollkommen zu. Gerade „Vielschreiber“ sind in der Lage, zu überlegen und nach „passgenauen“ deutschen Entsprechungen zu suchen und diese dann auch zu verwenden, bevor man „gefacebookt“ schreibt. Sie haben die Qual der Wahl, ein Luxusproblem. Anders sieht es z.B. bei Jugendlichen aus, die diesen umfassenden deutschen Sprachwortschatz nicht besitzen und auch nicht so belesen sind wie Sie. Was nützt da ein deutsches Wort, wenn dieses so antiquiert ist, das niemand seine Bedeutung kennt. Da greift man doch lieber auf die gebräuchlichen Anglizismen und das eigene Kiezdeutsch zurück, das die Freunde benutzen und verstehen. Die Sprache als Form der Kommunikation beruht auf Identifikation bzw. schafft diese Gruppenzugehörigkeit. Wer will sich da durch ein „gestelztes“ Deutsch freiwillig als „Alpha Kevin“ ins Abseits stellen? (alternative Verben: offenbaren, bloßstellen, erkennen geben, outen)

Weitere Kommentare sind willkommen!

Ein Gedanke zu „Heute schon gegoogelt?

  1. Weil es zum Thema passt, möchte ich auf einen bereits vor einigen Monaten erschienenen Blogbeitrag verweisen. Unter der Überschrift „Sprachwandel: Geht das nicht auch auf Deutsch?“ stellt Annika von Taube vorweg folgende Frage: „Sind Anglizismen etwas für faule Ignoranten, vergewaltigen sie die deutsche Sprache und treiben sie in den Tod?“ „Unsinn“, kontert die Autorin. Sie fordert für Anglizismen sogar einen Preis. „Es gibt nichts, was sich in der deutschen Sprache nicht ausdrücken ließe, das mag stimmen. Aber englische Begriffe sind oft so schön catchy, so on point. Und sie werden gerade in digitalen Umfeldern gern genutzt…“ Frau von Taube wertschätzt auch die Bemühungen von Sprachwissenschaftlern, die sich um die „Förderung eines positiven Blicks auf Anglizismen“ verdient machen, indem sie z.B. zur Wahl des „Anglizismus des Jahres“ aufrufen. Diese Auszeichnung begreift Lehnwörter nicht als sprachliche Mängel, sondern im Gegenteil als Bereicherung der deutschen Sprache. Begriffe wie ‚Crowdfunding‘ oder ‚Selfie‘ stehen auf der Vorschlagliste obenan. Eine Bedrohung der deutschen Sprache wird darin mitnichten gesehen. „Lehnwörter finden wir immer dort, wo es Veränderungen gibt – neue Technologien und neue gesellschaftliche Praktiken müssen benannt werden, und wenn eine wichtige Bezugskultur schon Wörter hat, werden die einfach übernommen. Durch Entlehnung sind Sprachen in der Lage, sich aktuellen Entwicklungen anzupassen und für die Sprachgemeinschaft nützlich zu bleiben. Und nur wenn eine Sprache nicht mehr nützlich ist, läuft sie Gefahr, zu verschwinden.“ Wer auf eine andere Sprache als die eigene zurückgreifen muss, um sich auszudrücken, ist deshalb keineswegs „schlampig, faul oder beschränkt“.

    Und für Gegner der Anglizismenflut in den „neuen“ Medien wird folgender Lösungsvorschlag unterbreitet: „…diese müssten nur dafür sorgen, dass Neuentwicklungen statt aus dem englischsprachigen aus dem deutschen Raum kommen“.

    Quelle: http://www.zeit.de/community/2014-11/anglizismus-digitalisierung

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