Müssen Modewörter immer gleich sterben?

Nein, aber manchen wünscht man einen schnellen Tod. Viele müssen nicht sterben, denn Sprache lebt, und wie ein lebender Organismus nimmt sie auf, was nützlich ist und stößt mit der Zeit ab, was sich als nutzlos erweist. Der Nutzen ist oft nicht sofort erkennbar und führt daher bei den Sprachnutzern zu Irritationen. Die sollten sich eigentlich relativieren, wenn man versucht, für ein griffiges Wort wie Jetlag oder Comeback oder auch Blue Jeans ein deutsches Äquivalent zu finden. Was soll man denn z.B. für ein Wort wie Babysitter im Deutschen sagen, wenn Kinderfrau, Kindermädchen (oder Kindermann?) nicht funktionieren. Und wie umständlich müsste man sich ausdrücken, wenn man den Computerfreak lieber deutsch benennen würde.

Neuwörter insgesamt, also auch Wortmischungen mit Importen aus der englischen Sprache können, müssen aber nicht unbedingt ein Ärgernis sein. Oft zeugen sie von dem Spieltrieb und der bewundernswerten Kreativität der „Erfinder“. Mir gefiel z.B. die „Spezialität für Finesnacker„, Werbung für luftgetrocknete Minisalami von Aoste (Bild). Über manche öffentlichen Sprüche kann man hingegen nur den Kopf schütteln, auch weil sie offenbar in völliger Unkenntnis grammatischer und lexikalischer Regeln erdacht wurden. So war z.B. an einem Parkplatz irgendwo im Land Brandenburg der Hinweis auf eine Imbissmöglichkeit: Park and Bite. Die missverständliche Verwendung von gleichlautendem Verb und Substantiv und die beabsichtigte Analogie zum bekannten Park and Ride führen zu der unbeabsichtigten Frage, wen man denn beißen soll. Oder aber – an einem Sonnenstudio in Werder/Havel stand Fit and Sun, und LIDL warb vor einiger Zeit für Sportwear mit Hose.

Immerhin gibt es aber auch lustige Ausrutscher von kompetenten Journalisten. In den Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN 04.04.05) schrieb ein deutscher Korrespondent über das New Yorker Plaza Hotel: „Truman Capote warf hier seine berüchtigten Parties“ (wörtliche Übersetzung von to throw a party).

Wenn das Geschäftsimage wirkungsvoll aufpoliert werden soll, kommt es häufig zu albernen Aussagen wie den folgenden:

  • Der RBB im Interview (03.09.06) mit einem leitenden Mitarbeiter des Flughafen Schönefeld: „Dies wird ein SINGLE Airport.“ „Was ist denn das?“ „Das heißt, wir werden die drei jetzt bestehenden Flughäfen in einem bündeln.“
  • Heidi Klum: „Du hast diesen Look sehr gut in deiner Challenge umgesetzt.“ (Die WELT 20.05.09)
  • STERN Nr.35, 2006, Kommentar zu einer Werbung für Unterwäsche: Antörner für Ästheten (Bild)
  • POTSDAM AM SONNTAG v. 18.06.06, über exklusive Wohnghettos: „…Service und Sicherheit durch Doormen-Team

Die Flexibilität und Aufnahmefähigkeit der deutschen wie der englischen Sprache ist, allem Missbrauch zum Trotz, offenbar unbegrenzt. Das muss sie auch sein, denn gerade in den Naturwissenschaften zum Beispiel führen neue Bedürfnisse und Erkenntnisse ständig zu neuen Begriffen. Diese wiederum finden mit Wörtern und Wendungen Eingang in die Normal-Sprache, wo sie auch von unbedarften Sprachnutzern übernommen, verändert oder eitel kopiert werden.

Der INDEPENDENT (04.01.11) berichtete über den enormen Zuwachs in der englischen Sprache, dass sich das Vokabular jährlich um 8.500 Wörter erweitert. Das Zitat in dieser Zeitung: „What´s in a word? The English language has almost doubled in size in the past century as we are living in a rich linguistic peak.“

"Üben für's Smartphone"

„Üben für’s Smartphone“

Der kreative Umgang mit den Möglichkeiten der deutschen und englischen Sprache wird zur Zeit von Studenten des Studiengangs Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der Universität der Künste in Berlin praktiziert. Sie erarbeiten gerade ein „Spekulatives Glossar“ der Zukunft (MAZ, Januar 2016). Die Sammlung in ihrer Datenbank umfasst bereits über 15.000 Einträge. Ich fand besonders interessant das von ihnen erfundene (oder vorausgeahnte?) Wort phealous (phone+jealous). Es bedeutet, dass Gesprächspartner irritiert (eifersüchtig) sind, wenn in ihrer Gegenwart ständig das Smartphone benutzt wird (Bild). Das trifft sich mit dem Jugendwort des Jahres 2015 SMOMBIE (Smartphone+Zombie).

Es ließe sich, wie die Kommentare zu dem vorangegangenen BLOG über sog. Modewörter zeigen, noch vieles ergänzen. Ich möchte mich einem Ausspruch von Udo Lindenberg anschließen, der gesagt haben soll: Wir haben uns von diesem Spirit antörnen lassen und unsere Crazyness hinzugefügt.

Gastbeitrag von Hiltrud Wedde

Bildquelle: Foto v. Hiltrud Wedde (privat)

Kommentar verfassen

Trage deine Daten unten ein oder klicke ein Icon um dich einzuloggen:

WordPress.com-Logo

Du kommentierst mit deinem WordPress.com-Konto. Abmelden /  Ändern )

Facebook-Foto

Du kommentierst mit deinem Facebook-Konto. Abmelden /  Ändern )

Verbinde mit %s